Sonntag, 13. Dezember 2015
Mein Griechenland ...
Anfang der 80iger reiste ich das erste Mal nach Griechenland. Im Rucksack viel Neugier und die unsagbare Sucht nach Freiheit. Matala, Mykonos, Santorini schwirrten mir im Kopf umher. Ein genaues Ziel hatte ich eigentlich nicht, es sollte einfach nur eine griechische Insel sein irgendwo in der Ägäis. Blaues Meer, weiße Häuser, das ganze Klischeeprogramm. Tropfende Wasserhähne und lauwarmes Essen natürlich inbegriffen.

Vier Wochen ohne genaues Ziel, keine Pläne, keine Hotelzimmervorbestellungen.
Bloß keine zeitlichen Fesseln, einfach nur leben.
Meine erste Unterkunft befand sich im ersten Stock einer kleinen, familiär geführten Pension ohne Klimaanlage, die mir ins Auge fiel durch das kleine Schildchen
"Wir sprechen etwas deutsch".

Eleni, die etwas rundliche Besitzerin mit ihren schwarzen Locken und den dazugehörigen schwarzen Augen wie Kalamata-Oliven begrüßte mich herzlich, als würden wir uns schon seit Jahren kennen.
Der Duft nach frischer Tomatensoße stieg mir in die Nase, als sie mich fragte:
"Aus Deutschland?"

"Ja, aus Köln," gab ich zur Antwort.

"Wir waren fünf Jahre in Düsseldorf, schöne Stadt, sehr schöne Stadt. Wie lange
möchtest du bleiben? Wie ist dein Name?"

"Michael....ich weiß es noch nicht."

Sie lächelte mich an und zeigte mir mein Zimmer in der oberen Etage. Bett, Tisch, Stuhl,
kitschige Bilder an den Wänden vom Schwarzwald und Plastikblumen in einer Blumenvase mit antiken Motiven. Sie deutete auf den kleinen Kleiderschrank, in dem sich eine Wolldecke befand, falls mir nachts kalt werden würde.

"Fühl dich wie zuhause, mein Junge. Bist du das erste Mal in Griechenland?"

"Danke, ja. Ich habe mein Abitur gemacht und wollte unbedingt auf eine griechische Insel. Meine Eltern haben mir die Reise spendiert."

"Du hast großzügige Eltern, Michalis. Da vorne ist das Bad und rechts neben dem Bett ist der Balkon mit dem Blick zum Meer. Wenn du sonst etwas brauchst, bin ich unten. Mein Mann Vasili und meine Söhne Thoma und Janni helfen auch in der Pension."

Eleni verließ das Zimmer und ich zog umgehend die Vorhänge zur Seite, um das Meer zu sehen. Das griechische Meer. Die Ägäis. Ein umwerfender Blick auf tiefblaues Meer, links und rechts mit kahlen Bergen umgeben. Ein kleiner Hafen mit noch kleineren Fischerbooten und griechische Klänge, die aus einer der Tavernen zu hören waren.
Welch eine Idylle, welch eine Ruhe. Und dann diese freundliche ältere Dame, die mich aufnahm wie ihren dritten Sohn, der von einer langen Reise heimkehrte.

Der Blick ins Bad war das genaue Gegenteil. Eine Dusche wie aus den 70igern und ohne
Vorhang. In der Mitte der Abfluss. Nach drei Tagen hatte ich mich daran gewöhnt, das ganze Bad beim Duschen unter Wasser zu setzen. Sich an das lauwarme Wasser zu gewöhnen, dauerte allerdings ein paar Tage länger. Unterbrochen von Tagen, an denen die Solaranlage irgendwie nicht funktionierte, und das Wasser eiskalt war. Egal.
Der Blick vom Balkon zum Meer war der Ausgleich.

Nachdem ich etwas geschlafen hatte, wollte ich hinunter zum Ort und etwas essen. Ich hatte keine Vorstellung, was man in Griechenland neben Bauernsalat und Gyros mit Pommes auf der Speisekarte finden würde.
Es war die Zeit, in der man als Tourist gar nicht nach Speisekarte bestellte, da man diese nicht lesen konnte oder das ausgewählte Gericht gab es an diesem Tag nicht.
Also schlenderte man in die Küche, während der Koch die Deckel hob und suchte sich
etwas aus. Auch wenn ich oft gar nicht wusste, was es für Speisen waren, so wählte ich meistens nach dem Duft.
Der Bauernsalat mit seinem frischen Olivenöl, dessen Geruch ich bis heute in der Nase habe und dieser unsagbare Geschmack der frischen Tomaten und Gurken waren kein Vergleich zu unserem Greek Salat in Deutschland mit Treibhausgemüse aus Holland.
Dafür war der Gyros mit Pommes bei Stavros in Köln bedeutend besser. Denn hier gab es gar keinen Gyros, weit und breit nicht.

In diesen vier Wochen lernte ich viele Einheimische kennen. Alle neugierig, alle wahnsinnig interessiert, wo ich denn überhaupt herkam.
Von jedem kannte ich die Lebensgeschichte nach diesem Urlaub und natürlich haben die meisten selbst in Deutschland ein paar Jahre gearbeitet oder haben Verwandte und sei es
des vierten Grades in irgendeiner Fabrik in Deutschland arbeiten.

Eleni bekochte jeden Tag ihre Familie mit einheimischen Leckereien. Sehr oft war ich mittags, wenn die Geschäfte und Tavernen während der Mittagshitze geschlossen hatten, Gast an ihrem Tisch unter der großen Platane im Garten. Man rückte zusammen, stellte einen weiteren Stuhl an den großen Tisch und erzählte mir von der Zeit als Onkel Stavros bei Mercedes arbeitete oder Opa Dimi Opel.

Ich kenne diese Geschichten bis heute auswendig, so oft habe ich sie gehört und immer wieder herzlich darüber gelacht. Bis heute habe ich den Duft der frischen Tomatensoße von Eleni in der Nase, die sie besonders gern zu ihren Keftedakia gemacht hat. Oft habe ich sie nachgekocht nach ihrem Rezept, ich bekam sie nie so hin.

In all den Jahren bin ich zum Familienmitglied geworden. Zu Hochzeiten und Taufen bin ich angereist. Habe bei diesen Festen meine ersten Tanzschritte gelernt und habe den Tsiporo lieben gelernt.

Bei jeder meiner Heimreise bekam ich zwei Flaschen Tsiporo von Opa Dimi für den Winter, Honig von Oma Stavroula und zwei Gläser Tomatensoße von Eleni .

Seit nunmehr über 30 Jahren habe ich dieses Zimmer im ersten Stock, in dem ich beim Duschen immer noch alles unter Wasser setze.
Doch der Blick vom Balkon, der fasziniert mich immer noch und schickt meine Seele auf die Reise in diesem Ort, der sich kaum verändert hat bis auf den Internetanschluss und die permanent bimmelnden Handys.

Im letzten Jahr durfte ich das Kind, die kleine Melina, das erste Ururenkelkind von Eleni taufen. Eine große Ehre, auf die ich sehr stolz bin.

Ich werde, egal was um uns herum passiert, auch weiter zu meiner "Familie" fahren auf meine keine Insel, mit dem Bad ohne Duschvorhang.
Was mich nur ein wenig traurig stimmt, ist die Tatsache, dass meine Freunde hier in Deutschland vermutlich nicht so herzlich empfangen werden würden, wie sie mich damals empfangen haben.
Maria L-K

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Sonntag, 15. November 2015
Jeden Abend ...

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Dienstag, 15. September 2015
Santorinische Farben


Santorinische Farben

Wer die Kykladen zum aller ersten Mal besucht, wird berauscht sein von diesen intensiven Farben, die im Zusammenspiel mit dem beinahe grellen Licht dieser Inselgruppe zu einer Kulisse werden, die einzigartig ist auf unserem Kosmos.
Die Insel bietet viele kleine Siedlungen, die immer wieder überraschen, weil es hinter jeder Biegung, Kreuzung, Abzweigung etwas Neues zu entdecken gibt.
Man wandelt durch weiße kleine Gassen, biegt nach links oder rechts ab und erhascht wieder neue Eindrücke, die man nicht erahnt hat. Plötzlich zeigt sich die Kuppel einer kleinen Kapelle, die ihr blaues Haupt in der Sonne erstrahlen lässt oder ein unerwarteter Blick auf das nahe Meer offenbart sich.
Jeden Weg sollte man in beide Richtungen erwandern, denn immer wieder bricht das Licht anders herein und lässt die Szenerie anders erscheinen. Jeder Moment erwacht anders, denn der Himmel, die Wolken, die Sonne, die Regisseure dieses Theaters, haben jede Szene anders einstudiert. Und so kommt es, dass man erstaunt umherwandert, immer offen für neue Eindrücke, die teilweise so überwältigend sind, dass man seinen Augen eine Ruhepause gönnen möchte.

Man setzt sich auf einen kalten Stein, auf eine kleine Bank oder eine Mauer, schließt die Augen einen Moment, um alles aufnehmen und verarbeiten zu können und sucht sich seinen Weg aufs Neue.

Genau in diesem Moment, hat sich wieder eine Wolke in den Vordergrund gedrängt oder die Sonne zog weiter. Und so kommt es, dass das gleiche Bild plötzlich eine
andere Gestalt annimmt, eine andere Impression entsteht, die süchtig macht.
Die Symbiose aus Farben und Licht lässt ein Kunstwerk entstehen, das es wohl nur auf den Kykladen gibt. Als wäre ein Maler darauf bedacht, jede Tür, jedes Fenster, ja sogar jeden Stuhl ein anderes malerisches Gesicht zu geben, um alles einzigartig zu gestalten.
Jeder Farbton scheint extra gemischt worden zu sein. Es genügte dem Künstler nicht, die normalen Farben zu wählen, er hauchte jedem Gegenstand ein eigenes Leben ein durch individuelle Farbmischung.
Die Seele all dieser Santorinischen Farben ist das Licht. Ein Licht, das durch die strahlenden weißen Farbklekse, die sich besonders an der Caldera über die Bergrücken schlängeln, verstärkt wird.
Wenn diese Farben, für manche ich gar keine Namen fand, umarmt werden von dem Licht der Kykladen, entsteht etwas beinahe Unwirkliches, dass sich weder mit Film noch mit Fotos wirklich ergreifen lässt, man muss
es erlebt haben.

Das Blau schmückte sich jeden Tag anders und setzte sich täglich in Szene, dass man seinem Bann nicht mehr entkam.

Das Auge suchte Farben, Licht und die Vollkommenheit, wenn das Meer auf den Horizont traf und sich die Farbgewalt vereinte.

Blau und Weiß beherrscht die Insel, nicht nur bei der Architektur, sondern auch am Himmel.
Selten freute ich mich so sehr, wenn Wolken aufzogen, denn sie gaben dem griechischen Himmel die weißen Farbtupfer, die er brauchte, um die Sinne zu betören.
Das Blau nur blau zu nennen, wäre viel zu simpel. Wenn der Himmel in der Mittagssonne die Insel umhüllt, ist es himmelblau, strahlendblau. Sollten sich dann unerwartet Wolken dazugesellen, hat man das Gefühl, dass der Himmel und die Wolken mit den Farben der Häuser und Kirchenkuppel um die Wette strahlen. Alles wird eins und trifft sich am Ende des Horizontes, alles verschmilzt zu einer Einheit und das Licht der Sonne scheint seinen Segen zu geben bis zur Vollkommenheit.
Das Weiß der Häuser ist strahlendweiß, welches in der Sonne beinahe zerspringt so grell wirkt es.
Die Nationalfarben Griechenlands werden hier von zwei Komponenten bedient, Himmel und Wolken, Häuser und Kirchkuppeln.
Zwischen all dem Blau und Weiß gesellen sich die Farben der Türen, Fenster und Stühle.

Es reicht von einem satten Grün, Dunkelgrün, Mintgrün, Apfelgrün, Grasgrün, Olivgrün, Ägyptischgrün, Blattgrün, Moosgrün, Blassgrün, Giftgrün, Pastellgrün, was die Farbe des Lebens symbolisiert.

Das Gelb der Kykladen hat ebenfalls eine große Palette zu bieten, die von Hellgelb, Pastellgelb, Zitronengelb, Mattgelb, Orangegelb, Indischgelb, Goldgelb, Strohgelb reicht.
Das Blau der Wolken, des Wassers, der Stühle und Tische reicht von hellblau, dunkelblau, graublau, tiefblau, schwarzblau, tintenblau, königsblau, eisblau, lichtblau, azurblau, violettblau.
Dazwischen strahlen noch etliche Rottöne, Orangetöne um die Wette, so dass man Santorini eine Insel der Farbe nennen kann. Symbole des Lebens, der Lebensfreude und der Hoffnung.
Paris verschenkte seinen Apfel an Aphrodite, der Göttin der Liebe und schwörte damit unsagbares Unheil über die Trojaner und Griechen herbei. Ach hätte er diesen Apfel mit der Aufschrift „Der Schönsten“ doch noch Kalliste gebracht und ihn dort verschenkt.


Aus "Die griechische Seele suchend."

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Freitag, 4. September 2015
Vom Suchen und Finden
Vom Suchen und Finden

Ich kramte den kleinen Zettel mit den wenigen Notizen aus meiner Handtasche.

Michalis S., um die 60 Jahre, drei Kinder, Faliraki.

Mehr Angaben hatte ich nicht von einer Bekannten aus Österreich erhalten, die Michalis seit geraumer Zeit suchte, aber nicht finden konnte.

Als sie hörte, dass ich nach Faliraki reisen würde, kam ihr spontan die Idee, dass ich vor Ort sicher mehr in Erfahrungen bringen könnte, als sie von Österreich aus.
Ich legte den Zettel erstmal bei Seite, darum würde ich mich in den nächsten Tagen kümmern.
Nur wie? Faliraki, diese Touristenhochburg mit unendlich vielen Menschen, die hier in der Gastronomie arbeiten während des Sommers, zählte während der Sasion ca. 3000 Einwohner.
Davon sind 1000 nur in den Sommermonaten vor Ort. Zudem war der Nachname des Michalis so etwas wie bei uns Meier, Müller, Schulze.
Also stellt sich die Frage, wer stammt tatsächlich von hier und kennt die Familienzusammenhänge ?

Nach ein paar Tagen des Eingewöhnens war meine erste Anlaufstelle Maroula, die bezaubernde Köchin unseres kleinen Hotels, die täglich mit unendlicher Euphorie kochte.
Während sie mir mal wieder von ihren Köstlichkeiten erzählte und sofort den Notizblock herausholte, um mir Stichpunkte mitzugeben, kam mir der Gedanke, dass sie sicher schon ewig hier im Dorf lebt.

"Sag mal Maroula, stammst du von Faliraki?"

"Eigentlich schon, aber ich war 20 Jahre in Australien, bis mich mein Heimweh packte und ich wieder zurückkehrte. Warum fragst du?"

"Ich suche jemanden."

Sofort legte sie den Stift beiseite.

"Wen???"

Das in die Wiege gelegte Gen der Neugierde stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. Dazu paarte sich umgehend die ewige Suche nach Geschichten, die das Leben schreibt und diese sind bekanntlich die spannensten.

"Ich kenne ihn selbst nicht. Einen Michalis S., der von hier stammt und jetzt ca. 60 Jahre als sein muss."

"Aha, und warum suchst du ihn?"

"Eine Bekannte bat mich darum, sie hat hier vor über 30 Jahren Urlaub gemacht und wollte ihn gerne wiedersehen."

"Maria, haben die zwei ein Kind zusammen und er weiß es vielleicht nicht?
Ich bekomme Gänsehaut, schau her."

Ich musste unwillkürlich lachen. Die Phantasie der Griechen.
"Nein, nein. Sie hat sich damals mit ihrer Familie einfach nur wohl gefühlt hier auf Rhodos und in der Nähe von Michalis und seiner Familie."

"Ach so. Ok. Schließt es ja trotzdem nicht aus," lachte sie los.

"Ich war zu lange fort, du musst jemanden fragen, der hier schon ewig lebt.
Aber halte mich bitte auf dem Laufenden."

Griechen lieben solche Geschichten. Und Maroula ließ sich nun gar nicht mehr bremsen.

"Maria, genau das macht das Leben aus. Menschen, die Menschen suchen. Menschen, die alte Bekannte vermissen, sich an sie erinnern. Das sind die Gefühle, die uns antreiben und zu Menschen machen."

Während sie über das Leben und den Sinn darin philosophierte, schnitt sie ihre Zwiebeln und wischte sich ständig Tränen von den Wangen.
Weder ich noch sie kannten Michalis, aber das war auch völlig nebensächlich geworden.
Jemand in Österreich suchte einen Taxifahrer von Rhodos, den er vor über 30 Jahren kennengelernt hatte, nur das zählte in diesem Augenblick.

Am nächsten Tage bestellten wir ein Auto bei Despoina für die Inselrundfahrt.
Während die Formalitäten erledigt werden mussten, erkundige ich mich bei ihr, ob sie aus Faliraki stammte.

"Ja, und mein Großvater hatte den ersten Souflakistand unten im Ort, als die ersten Touristen auf unsere schöne Insel kamen," erzählte sie voller Stolz.

"Despoina ich suche jemanden, vielleicht kennst du oder dein Opa ihn ja."

Sofort wollte sie neugierig wissen, wen ich suche und warum.
Ich gab ihr die dürftigen Hinweise, mehr hatte ich bisher nicht herausfinden können.

"Maria, ich bekomme Gänsehaut. Ich kümmere mich sofort darum, der Rest kann warten das ist wichtiger."

Genau das sind die Momente, in denen ich die Hellenen umarmen könnte. Diese unsagbare Neugier gepaart mit der unendlichen Freude, helfen zu können.

"Maria, gib mir fünf Telefonate."

Sie griff zum Telefonhörer und wählte zunächst den Taxistand an.
Ob jemand den Michalis S. kennen würde, er dürfte inzwischen in Rente sein und hätte drei Kinder.
Am anderen Ende der Leitung überlegte jemand, drei Minuten später rief er einen anderen Taxifahrer lautstark zum Telefonhörer.
Despoina erzählte die Geschichte erneut. Nachdem der Hörer noch zweimal weitergereicht wurde, war ich es inzwischen, die Michalis S. suchen würde.

Mein Dazwischenreden nutzte nichts. Despoina wurde immer lauter, sie kam irgendwie nun so richtig in Fahrt, legte dann auf und gab mir zu verstehen, dass sie noch jemanden anrufen muss.

Wieder erzählte sie die Geschichte, schmückte sie noch ein wenig aus und legte nach fünf Minuten zufrieden auf.

"Hier ist die Festnetznummer. Michalis hat als Taxifahrer gearbeitet, ist nun in Rente und wohnt im nächsten Ort, in Kalithies, gegenüber von der Kirche. Wir rufen ihn sofort an, Moment."

Ehe ich was sagen konnte, wählte sie bereits seine Nummer. Weder sie noch ich kannten Michalis S. aus Kalithies. Wir hatten eigentlich beide gar nichts mit der Geschichte zu tun.
Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, wir gehörten jetzt dazu. Wir waren ein Teil dieser Geschichte, die wahrscheinlich woanders niemanden interessiert hätte. Jetzt hier in diesem Moment jedoch war es anders, er musste gefunden werden, egal wie.

Sie reichte mir den Hörer rüber, es klingelte am anderen Ende. Was sage ich jetzt bloß?
Wie erkläre ich einem völlig Fremden, wer ihn sucht. Ich war es ja nicht. Und wir reden immerhin von 30 vergangenen Jahren. Vielleicht erinnerte er sich gar nicht mehr.
Oder er würde einfach auflegen.

Nichts von alledem, er war offensichtlich gar nicht zuhause.

Und nu?

"Maria, dann musst du morgen dort vorbeifahren. Kalithies, Kirche, das findest du schon, ansonsten einfach jemanden fragen."

Am nächsten Tag war der erste Weg natürlich Richtung Kalithies. Die alte Kirche ragte über das ganze Dorf und war schon von Weitem zu sehen.
Mit dem Auto dort hochzufahren, machte keinen Sinn. Die Straßen waren viel zu eng und verwinkelt. Also ließ ich das Auto an der Plateia stehen und
erkundigte mich, um sicher zu gehen, am Kiosk, ob dies die Kirche sei, an der ich das Haus von Michalis finden würde.

"Ja, schau da oben, da ist der Kirchturm und gegenüber, da wohnt Michalis."

Ich beeilte mich, damit ich nicht erneut die ganze Geschichte, die ja eigentlich nur aus Fragmenten bestand, wiederholen musste.
Nach 15 Minuten durch enge Gassen und verwinkelte Wege kam ich erschöpft am höchsten Punkt des Dorfes an. Das Haus von Michalis war schnell gefunden, allerdings traf ich niemanden an. Auch rufen und klingeln war erfolglos. Ich wartete auf einer kleinen Bank an der Kirche und beobachtete von dort aus die Szenerie, um nach einer halben Stunde unverrichteter Dinge wieder zur Plateia zu gelangen.

Als ich am Abend im Hotel ankam, wartete schon Despoina auf mich. Hoffnungsvoll, erwartungsvoll, mit großen Augen und der Bereitschaft, bei einem Happy-End direkt in Tränen zu zerfließen.
Aber…tipota. Kein Michalis, kein Happy-End.

"Wie, er war nicht zuhause? Das gibt`s doch gar nicht. Wir müssen telefonieren, komm."

Eine Ablehnung hätte sie nicht akzeptiert. Genau an diesem Punkt treffen die Gefühlsebenen aufeinander. Jeder Mitteleuropäer hätte den Zettel mit den Stichpunkten spätestens jetzt zerknüllt in den nächsten Papierkorb geworfen. Despoina aber nicht.

Abermals glühte ihr Ohr am Telefon. Sie nickte, sie fluchte, sie wählte erneut.
Der Cousin des Cousins und davon die Tante oder der Onkel, irgendeiner muss die Handynummer von Michalis haben.
Jeder Grieche hat Verwandte und jeder hat mindestens eine Handynummer. Er kann sich nicht in Luft aufgelöst haben.
Eh ich begriff, dass sie die Handynummer herausgefunden hatte, wählte sie bereits.
Zwei Minuten später hatte ich den Hörer am Ohr.

Plötzlich kam eine kräftige Männerstimme durch den Hörer direkt zu meinem Ohr.

"Nai." Griechen melden sich nie mit Namen immer nur mit einem JA.

"Hier ist Maria, sie werden mich nicht kennen. Ich bin weitgereist und suche für eine Bekannte aus Österreich einen Michalis S."

Stille, er hatte nicht sofort aufgelegt. Er wartete ab.

"Dieser Michalis S. war Taxifahrer, hat drei Kinder und meine Bekannte kennt ihn aus einigen Urlauben, allerdings schon vor 30 Jahren."

Stille.

"Wer bist du denn?"

"Ich bin Maria, aber ich habe eigentlich gar nichts damit zu tun, ich soll nur schauen, ob ich Michalis finden kann."

"Ah, ja. Hat deine Freundin zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen?"

Er dreht nun den Spieß um, und stellte mir die Fragen.

"Ja, hat sie."

"Maria, wo wohnst du denn eigentlich, wo bist du gerade?"

"Im Hotel oben auf dem Berg in Faliraki," antwortete ich etwas zögerlich.

"Da du weißt, wo wir wohnen, komm vorbei. Wir trinken einen Frappe und reden über die alten Zeiten."

Etwas verblüfft gab ich zur Antwort: "Ja, aber ich wie gesagt, bin nicht die Suchende."

"Macht nichts, du bist die Bekannte von ihr, das reicht. Ich denke, in 15 Minuten kannst du hier sein, bis gleich."

Tage später erfuhr ich durch Zufall, dass Laki von der Autovermietung der Cousin war von Michalis, wir hätten es alles etwas einfacher haben können.

Aber diese Odyssee vom Suchen und Finden war so aufregend, dass mir die lange Variante letztendlich doch besser gefallen hat.

Maria Laftsidis-Krüger

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....und sie träumen den Traum des Lebens immer noch am Schönsten
Es ist ja nicht so, dass in Griechenland das Meer blauer ist als anderswo auf dieser Welt.
Auch die Sandburgen halten im Sand der griechischen Strände nicht besser als irgendwo anders. Und selbst die kulinarischen Highlights kommen vermutlich anderorts heißer,
wenn auch nicht besser, auf den Teller, der auf einer Papiertischdecke platziert wurde.

Also was macht den Reiz dieser Kultur aus; den oft beschriebenen Virus dieses Kosmos im Süden Europas?

Wir fahren nicht in ein Urlaubsland, an einen Traumstrand oder gar in ein 5-Sterne-Hotel.
Nein ! Wir besuchen Eleni mit ihrem Kosta, der zuviel raucht; Georgios mit seinen fünf Kindern oder gar den inzwischen in die Jahre gekommenen Michalis, der jedes Jahr auf`s Neue so laut mit seinen Kellnern redet, dass man glaubt, sie haben Krach.

Und genau für diese paar Tage oder Wochen nehmen wir um so intensiver teil an dem Leben eines Griechen. Wir werden Teil seines Universums, weil er uns teilhaben lassen will.
Völlig losgelöst von Politik und Wirtschaft, von Krisen und Problemen.
Sprachprobleme löst man eh mit Händen und Füssen und etwas Ouzo oder Raki.

Es fasziniert uns, wie leicht das Leben sein kann. Wie einfach Probleme des Alltags sich in Luft auflösen können, wenn man den Mut dazu hat.
Busse halten am Straßenrand, um das alte Mütterchen mitzunehmen. Na und, dann kommt der Bus eben fünf Minuten später.
Straßen werden ohne großes Tamtam abgesperrt, weil eine Hochzeitsgesellschaft Platz zum Tanzen benötigt. Wen stört das? Niemanden !

Wir möchten einfach nur ein Stück dieser Lebensfreude, dieser unsagbaren Leichtigkeit des Seins aufsaugen. Ja, wir möchten sie eigentlich stückchenweise in den Koffer packen, um sie mitzunehmen nach Hause.
Aber das gelingt uns nicht, wird es auch nie.
Daher reisen wir Jahr für Jahr erneut zu unserer "Familie".

Dorthin, wo stolze Väter uns von der Schönheit der Tochter erzählen, aber auch von der Landschaft und den Bergen um ihr Dorf herum, welches sie nie verlassen wollen, komme was da wolle.
Ein Grieche lebt und liebt seine Heimat, seine Kultur mit seiner Sprache, seine Musik und seinen Tanz. Nirgendwo auf dieser Welt wird es ihm gelingen, so sehr im Einklang mit der Natur zu leben wie zuhause.

Wir lieben ihn für seine fast kindliche Schwärmerei, ja manchmal beneiden wir ihn auch um so viel Gefühl, um so viel Pathos.

Immer wieder wurde er gebeutelt vom Schicksal, so viele unzählige Besatzer suchten seine Küsten heim. Der Grieche kämpfte, trotzte und bewies immer wieder Mut, Mut er selbst zu bleiben. Kein Besatzer schaffte es, ihm seine griechische Seele zu rauben oder gar seinen Geist aufzulösen.

Freiheit oder Tod!

Wenn wir den Geschichten aus alten Zeiten lauschen, so theatralisch wie sie dargebracht werden, haben wir oft den Eindruck, Odysseus höchstpersönlich sitzt vor uns.
Schlitzohrig, lächelnd und immer etwas im Schilde führend. Märchen für Erwachsene, deren Charme wir uns nicht entziehen wollen.

Allgegenwärtig ist die Vergangenheit, ein Grieche kann sie nicht abschütteln.
Und so ist er im Geiste immer auch ein Stück Kolokotronis, Bouboulina, Achill oder gar Odysseus.

Und wir? Ja, wir hätten in solchen Momenten auch gern ein Stück dieser Vergangenheit,
ein wenig dieses Auf-etwas-stolz-sein.
So werden wir in diesen kleinen Augenblicken ein wenig zum Griechen oder glauben, früher einmal einer gewesen zu sein.


Maria Laftsidis-Krüger

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Mittwoch, 10. Dezember 2014
Konzert Agio Apostolos Düsseldorf
Agios Apostolos Düsseldorf

Pantelis Thalassinos, Melina Kana, Vassilis Skoulas

Gibt es einen schöneren Standort für ein griechisches Konzert als gegenüber einer
Kirche? Voller Erwartung machte ich mich auf den Weg nach Düsseldorf, um
Thalassinos live zu sehen. Melina Kana und Vassilis Skoulas waren die musikalischen
Begleiter, der Abend konnte nur großartig werden.
Nach einer halben Stunde Fahrt erblickte ich bereits aus der Ferne die stolze
griechisch-orthodoxe Kirche und jede Menge Menschen, die sie ebenfalls als Ziel hatten.
Zwischen der relativ neuen Kirche und dem Saal, wo das Konzert stattfinden sollte, tummelten sich Musikfans aus allen Himmelsrichtungen. Der Duft von Souflakis vom Grill mit der richtigen Portion Rigani stieg mir in die Nase, während ich rings um mich herum die üblichen Begrüßungen auf griechisch vernahm, ich war angekommen.
Die Halle füllte sich und mit ca. 40 Minuten Verspätung konnte es nun endlich losgehen.
Über Verspätungen bei griechischen Konzerten regt sich niemand auf, es ist normal,
alles andere wäre ungewöhnlich.
Die Sitzplätze in der Mitte der Halle waren ausverkauft, ringsherum standen Menschen dicht gedrängt mit Blick auf die Bühne.
Pantelis Thalassinos betrat die Bühne mit einer Seelenruhe, als würde er für einen kleinen familiären Kreis singen. Irgendwie wurde ich dieses Gefühl den ganzen Abend nicht mehr los. Die Halle ist nicht so groß wie die ehemalige Philipps-Halle, was diesen familiären Touch noch unterstreicht.
Pantelis sprach ein paar Worte zum Publikum und mit dem Satz "Wir vergessen Euch nicht," hatte er natürlich sofort den Applaus für sich. Seine sanfte Stimme mit der passenden Musik war wohltuend und entführte die Menschen für den Hauch eines Abends gedanklich nach Griechenland. Man klatschte im Takt, man sang mit und fühlte sich ein wenig wie zuhause.
Melina Kana betrat später die Bühne und mit ihr die unbeschreibliche Aura dieser Sängerin. Die beiden Protagonisten gaben ihre Lieder zum Besten, die im Saal jeder kannte. Bei den schnelleren Rhythmen tanzte einige, andere klatschten.
Erst jetzt entdeckte ich am Rande der Bühne den Geiger, der mir so bekannt vorkam.
Klar....ich kannte ihn von dem Auftritt der Band Locomondo in Bochum.
Nach der Pause wurde Vassilis Skoulas mit großen Applaus begrüßt, Kreta-Musik füllte den Saal.
Seine eindringliche Stimme in Verbindung mit den Rhythmen seiner Heimat, lassen die Schönheit Kretas erahnen. Wenn jemand so schön vom Psiloritis singt, berührt das zutiefst.
Die Musik wurde schneller, die Menschen tanzten. Parangelies wurden erfüllt. Musik für die Pontis klang durch die Nacht. Sie bedankten sich mit Applaus. Wie spät es war, danach fragte keiner. Die Uhrzeit spielt keine Rolle, wenn Griechen und Griechenlandfreunden feiern.
Daumen hoch für die Idee, diesen Saal für solche Veranstaltungen zu nutzen.
Freuen wir uns auf weitere Events, das nächste wartet ja bereits.....Philippos Pliatsikas und Babis Stokas am 9. Mai.

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Samstag, 6. Dezember 2014
Ephyra.....Griechenland
Ephyra....das Totenorakel


Wir hatten ein Appartement in dem kleinen Ort Ammoudia im Epirus gebucht, der sich in einer malerischen Bucht zum Ionischen Meer eingekesselt von zwei Hügeln ausbreitete. Flach abfallendes Meer und der wilde, tobende Acheron, der hier mündete, bildeten einen grandiosen Kontrast.
Doch nicht nur der Acheron war ein Ziel unserer Erkundungen, sondern auch das nahe gelegene Totenorakel Ephyra.
Eine Magie ging von diesem Ort aus, den man schon von weitem auf einem Hügel erkannte.
Eines Tages war es dann soweit, wir wollten dorthin hinabsteigen, wo angeblich auch Odysseus auf Rat der Zauberin Circe eine Antwort auf das Ende seiner jahrelangen Irrfahrten erhoffte.
Endlich heimkehren nach Ithaka wollte er, heim zu Penelope.
Wir machten uns auf den Weg, fuhren die schnurgerade Strasse Richtung Hauptstrasse, überquerten diese und sahen schon das Schild EPHYRA am Wegesrand, kurz hinter der Tankstelle.
Delphi und Dodoni kannten wir bereits. Auch hier wurden Orakelsprüche verkündete. Doch diese Orakelstätten waren nicht unterirdisch. Man musste nicht hinabsteigen zu den Toten, um Weissagungen zu empfangen.
Man stand mit beiden Beinen auf der Erde und sah den Himmel, das war ein Riesenunterschied zu jenem Totenorakel nahe dem Örtchen Mesopotamos.
Ephyra zog mich magisch an und dennoch beschlich mich Ehrfurcht, als wir nach ein paar Minuten Fussweg am Eingang standen. Bei diesem Orakel würde der Himmel verschwinden, wir würden ihn zurücklassen, um in die Erde hinabzusteigen.

Ephyra liegt nördlich des Dorfes Mesopotamon und gab dem Totenorakel seinen Namen.
Es war einst eine spätmykenische Stadt, von der leider nur noch wenig übrig geblieben ist
auf diesem kleinen Hügel. Auf dem Bergkegel ist noch eine kleine Kirche von weitem zu
erkennen.
Mesopotamon, zwischen den Flüssen. Noch heute mündet der Pyriphlegeton in den Kokytos
und genau dort, wo er sich mit mysteriösen ACHERON, dem Totenfluss, vereint, genau dort
liegen noch heute die Überreste von Ephyra. Hier also war der Zugang zum Hades, der Unterwelt, den auch Odysseus und andere seiner Zeitgenossen, gesucht haben.
Selbst Weiden, Erlen und Pappeln wachsen hier, so wie es uns HOMER überliefert hat.

Wenn man hinabsteigt auf diesen schmalen, quietschenden Stufen, wird einem schon etwas mulmig in der Magengegend. Man glaubt seltsame Geräusche zu hören, Stimmen aus dem Jenseits, die uns etwas mitteilen wollen. Als würden die Seelen der Verstorbenen immer noch hier umherwandeln, jenseits jeder Art von Zeitgefühl.

Jeden einzelnen Raum bestaunten wir und tasteten uns langsam und vorsichtig vor durch dieses unterirdischen Gemäuer. Hier und da standen antike Vorratsbehälter dekoriert an den Wänden, um dem Besucher eine Vorstellung zu geben, wie es hier früher ausgesehen hat.
Kein Licht, keine Sonne, alles wirkte sehr gespenstisch. Groß ist diese Anlage nicht, die
Man zu Fuß durchqueren kann, aber sie hinterlässt einen bleibenden Eindruck.
Nach gut einer Stunde kehrten wir zurück an den Ausgangpunkt, einer alten Holzleiter, die wir wieder hinaus ins Sonnenlicht besteigen mussten.

Es war schon sehr unheimlich dort unten, selbst nach so langer Zeit strömt noch etwas
Mystisches durch dieses unterirdische Labyrinth. Ich war froh, als ich das Sonnenlicht wieder sah und Boden unter den Füssen hatte.

Maria L K

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