Samstag, 10. Juni 2017
Freiheit oder Tod ... Arkadi


Freiheit oder Tod ... Arkadi

Träume sollten man sich erfüllen, wenn es möglich ist. In diesem Jahr stand das Kloster Arkadi ganz weit oben auf der Träume-zu-erfüllen-Liste. Früh morgens, direkt nach dem ausgiebigen Frühstück in Georgiopolis, machten wir uns auf die Reise. Als Kind aufgewachsen mit den Mythen, Legenden und Geschichten aus Griechenland, war es im Urlaub immer ein Muss , Ausgrabungsstätten zu besuchen. Mein Papa erzählte mir all diese Geschichten derart euphorisch, als sei er selbst dabei gewesen. Also kein Wunder, dass ich mich noch heute diesem Zauber alter Steine nicht entziehen kann.

Wir entschieden uns, über das alte Töpferdorf Margarites nach Arkadi zu fahren, um dann über Maroulas wieder zur Hauptstrasse zu gelangen. Ein sonniger Morgen im Frühjahr mit griechischer Musik im Auto, die Reise konnte beginnen. Zunächst fuhren wir auf die gut ausgebaute Hauptstraße Richtung Rethymnon, um dann kurz hinter Sfakaki in die Berge abzubiegen. Wie ließen die neue Straße hinter uns, um uns auf ein Abenteuer einzulassen.

Kleine kurvenreiche Straßen führten uns durch die sattgrüne blühende Landschaft, gesäumt von Riesenfenchel und Oleander in den schönsten Farben am Straßenrand. Hier also war die Insel des Zeus, auf der uns die Lefki Ori, wie man die Weißen Berge in Landessprache nennt, allgegenwärtig waren mit ihren weißen Gipfeln und ihrer majestätischen Anmut. Im Hintergrund ertönte Stelios, der über das harte Leben in der Fremde sang, während ich aufpassen musste, ob mir nicht beim Durchfahren der kleinen Ortschaften, deren Namen ich nie gehörte hatte, ein Bus entgegenkam und ich lieber ausweichen sollte. Hier und da saß ein in schwarz gekleidetes Mütterchen am Straßenrand und bot Honig und Olivenöl an und winkte beim Vorbeifahren.

Man konnte den inneren Frieden dieses Kosmos beinahe einatmen. Papa saß still neben mir und zeigte immer wieder auf Ziegen und Schafe, die sich in Reichweite befanden. An besonders imposanten Stellen am Wegesrand machten wir einfach Halt. Ich betätigte kurz entschlossen die Warnblinkanlage und sprang aus dem Auto, um Fotos zu machen. Egal. Es kam niemand vorbei und wenn, auch kein Problem. Hier ticken die Uhren anders, Gott sei Dank.
Als wir endlich in Margarites ankamen, was ein wenig länger dauerte als gedacht, da wir so viele Zwischenstopps einlegten, bestellten wir uns erstmal einen eiskalten Frappe und Dakos.

Die kleine Taverne bot einen wunderbaren Blick bis hinaus aufs Meer. Stunden hätten wir hier noch sitzen können bei der kühlen Brise und dieser beruhigenden Stille. Noch war es ruhig, noch war es nicht überfüllt in diesem Ort, der bekannt wurde durch seine Töpferarbeiten. Unsere kleine Reise setzten wir nach einer Stunde fort. Man kann sich dieser friedlichen Atmosphäre auf Kreta nicht entziehen. Das Herz scheint gleichmäßiger zu schlagen, all der Stress der Großstädte zerfällt augenblicklich, wenn man durch die Berge fährt.

Kurz vor Arkadi lege ich kretische Musik mit Psarantonis auf, dessen Stimme in diesem Moment in der Nähe des Psiloritis passender nicht sein kann. Wir schweigen auf dem kurzen Stück bis zum Kloster und saugen den Moment auf, vergraben ihn tief im Herzen, wo schon so viele andere gemeinsame Momente in Griechenland versteckt sind. Erinnerungen für die Ewigkeit, an die man sich immer gerne zurück erinnert, und die einem niemand mehr nehmen kann.
Ich parke das Auto und bin erstaunt, dass wir die einzigen Besucher sind. Es ist vielleicht noch zu früh, die vielen Busse werden sicher auf dem Weg hierher sein.

Umgeben von den Bergen Kretas in knapp 500 Metern Höhe stehen wir vor diesem Kloster, dessen Geschichte traurig, aber stolz ist. Papa hält einen Moment inne, setzt sich auf die kleine Bank vor dem Eingang und erzählt mir die Geschichte über Arkadi, die ich schon kenne. Aber er erzählt sie mir abermals so emotional, dass ich die Augen schließe und für einen Moment dabei bin.
Wir sitzen noch eine Weile vor dem Monument, sammeln Kraft und machen uns auf den Weg, die Stätte zu besuchen, in der sich im November 1866 knapp 800 Kretaner selbst in die Luft sprengten, um nicht den Osmanen in die Hände zu fallen.
Freiheit oder Tod. Hier ist dieser Ruf nach Freiheit zu spüren, ja er liegt förmlich in der Luft. Die Frauen und Kinder vom Zalongo kommen mir in den Sinn, die tanzenden und singend in den Tod sprangen, um zu entkommen.

Nachdem wir durch den kleinen Gang liefen und Halt machten an dem winzigen Schalter, um die Eintrittskarten zu kaufen, kam uns der Kassierer entgegen. Ein groß gewachsener Kretaner mit Schnäuzer und schwarzen Augen.
Niemand sprach ein Wort. Erst schaute er mich an, dann zu Papa hinüber, der mit seinen Tränen zu kämpfen hatte.

"Ihr seid Griechen, oder?"

Wir nickten.

"Ich sehe es. Woher kommt ihr?"

"Aus Deutschland?"

Papa zückte wortlos einen 10-EURO-Schein aus seiner Tasche. Der junge Mann lehnte vehement ab.

"Wenn Griechen sich auf so einen weiten Weg machen, um zu sehen, wie stolz wir Kretaner sind, müssen sie keinen Eintritt bezahlen. Geht nur hinein. Wenn ihr zurückkommt, koche ich uns einen Elliniko."

Maria Laftsidis-Krüger

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