Freitag, 4. September 2015
Ostbahnhof
Ostbahnhof

Graue Wolken hängen über Berlin,
ohne Anfang, ohne Ende,
wie eine riesige nicht enden wollende Melange
aus Sehnsucht und Leidenschaft,
die hier und da von Flugzeugen durchzogen wird,
deren Kondensstreifen langsam verblassen
wie meine Erinnerungen an dich.
Ostbahnhof, Winter, 13 h
Menschen, die sich verabschieden.
Umarmungen, Tränen.
Verliebte, die sich ein letztes Mal küssen, bevor der Zug einrollt.
Kinder, die ihre kalten Nasen an Fensterscheiben drücken,
Ankommende, die lachend empfangen werden,
Vorlagen für wunderbares Kitschkino.
Durch die Bahnhofshalle peitschen Züge, die Lautsprecherdurchsage
durchdröhnt die Kulisse, ohne dass man ein Wort versteht.
In meinem Ohr "Berlin" von Ideal, ewig nicht gehört.
Berlin......Schmelztiegel zwischen Ost und West,
beschädigte Schönheit, geliebter Moloch.
Meine Gedanken schwirren um dich,
dein Geruch liegt noch auf meinem Körper,
in jeder Pore, in jeder noch so winzigen Ecke.
Ich wünsche mir, er würde mich ewig begleiten,
dieser Duft aus wilder Leidenschaft und Begierde.
Und doch weiß ich, er wird verflogen sein bis ich zuhause angekommen bin.
Leider.
Das Signal ertönt, ich rufe dich ein letztes Mal an,
um Lebewohl zu sagen, an diesem milden Wintertag
am Gleis 7, Ostbahnhof.
Der Zug schlängelt sich durch Berlin Richtung Hauptbahnhof, Westen.
Hochhäuser, besprüht, heruntergekommen, ragen in den dunklen Himmel,
dazwischen Prachtstrassen und neu erworbene Kaufrauschpaläste,
deren Leuchtreklame in den Augen schmerzen wie die krassen Graffitis.
Willkommen in der neuen Welt, wo fast alles käuflich ist.
Alt und neu, ost und west, arm und reich, alles vermengt sich zu einer Megapolis.
Und dazwischen du und ich, zwischen den Welt tänzelnd.
Unbekümmert und doch den Spagat wagend.
Eine Stadtrundfahrt mit dem Zug, beladen mit Hoffnung und der Angst, die
am Ende die Seele auffrisst.
Straßen mit Bäumen gesäumt, kleine Parks, schöne alte Hinterhöfe und doch erahnt man
auch Armut am Straßenrand,
hinter den ohne Gardinen voll gedreckten Fenster ohne Perspektive.
In einem dieser Wohnriesen 7. Etage wohnst du.
Liegst vermutlich noch im Bett eingehüllt mit meinen Düften, die ich dir gelassen habe,
um dich zu erinnern. Doch wie lange?
Verlassene Hinterhöfe, eingestürzte Gebäude, Reste der Mauer
wechseln sich ab mit bunten Schriftzügen, die die neue globale Welt bewerben,
als würde der Luxus eigentlich gar nichts kosten.
Die Spree taucht immer wieder auf und gibt der ganzen Kulisse einen beinahe
romantischen Hauch.
Prachtbauten der alten Zeit, griechische Säulen, Denkmäler, Universitäten.
Brücken, die sicher viel zu erzählen hätten.
Meine Augen werden beinahe müde von all dieser Bilderflut.
Und doch ist die Flut in meinen Adern, die du ausgelöst hast mit deiner Nähe,
deiner Leidenschaft noch größer, sinnlicher und kaum zu ertragen.
Zwischen all diesen Eindrücken immer wieder Menschen.
Musizierende Menschen, neugierige Touristen, suchende Fremde und auf einem
kleinen Plateau an der Spree....Tangotänzer.
Wie gerne würde ich aussteigen und ihnen bei ihrer Eleganz zuschauen.
Mein Handy reißt mich aus meinen Gedanken.
"Ich liebe dich, kommst du wieder?"
"Ja, ich liebe dich...........und ich liebe Berlin."


Maria Laftsidis-Krüger

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